Weiblich, obdachlos, unsichtbar | WDR Doku

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Published 2020-11-05
Frauen machen etwa ein Viertel aller Wohnungslosen in Deutschland aus. Und es trifft auch immer mehr Menschen aus der Mittelschicht. Die Gründe sind vielfältig: Steigende Mietpreise, Trennung, Jobverlust und Krankheit gehören dazu. Im Straßenbild sind obdachlose Frauen meistens kaum sichtbar. Sie versuchen nicht aufzufallen, sind gewalttätigen Übergriffen aber oft schutzlos ausgesetzt - auf der Straße, in Notübernachtungen und Wohnheimen. Maike (Name von der Red. geändert) hat das erlebt: „Eines Nachts bin ich aufgewacht, weil eine Frau mir mit ihren Fäusten ins Gesicht schlug. In so einer Notunterkunft ist man mit vielen Frauen konfrontiert, die man im normalen Alltag meiden würde. Sie haben psychische Probleme, manche sind depressiv oder gewalttätig.“

Bis vor fünf Jahren führte Maike noch ein bürgerliches Leben, auch wenn sie es nie ganz einfach hatte. Die 49-Jährige arbeitete Vollzeit als Altenpflegerin für Demenzkranke und zog alleine zwei Kinder groß. Dann verlor sie ihren Job und wenige Monate später ihre Wohnung. Das Jobcenter hatte ihren Antrag auf Arbeitslosengeld 2 zu spät bearbeitet. Maike konnte deshalb ihre Miete nicht mehr zahlen. Zunächst schlief sie im Hinterzimmer eines Ladens, bei dem sie unentgeltlich aushalf und duschte sich im Hallenbad. Als das nicht mehr ging, musste sie in Notunterkünften übernachten, oder sie lief die ganze Nacht durch die Stadt.

Dagmar würde man nie ansehen, dass sie wohnungslos ist. Die 59-Jährige wohnt mit ihrem erwachsenen Sohn in zwei kleinen Holzhütten auf der Straße. Trotz Wohnungslosigkeit hat es die ehemalige Einzelhandelskauffrau geschafft, sich einen kleinen Putzjob zu besorgen. Ihr Verdienst liegt allerdings unter dem Sozialhilfesatz, so dass ihr eine Aufstockung zustehen würde. Da das Jobcenter dieser Zahlung nicht nachkommt, muss Dagmar mit etwa 100 Euro im Monat über die Runden kommen. Mittlerweile hat sie sich daran gewöhnt, hungrig ins Bett zu gehen. Woran sie sich aber nie gewöhnen wird, sind die täglichen üblen Beschimpfungen, sexuellen Anzüglichkeiten und Schikanen, denen sie als wohnungslose Frau in ihrem Bretterverschlag oft schutzlos ausgeliefert ist. „Ich fühle mich wie lebendig begraben. Oft höre ich Nachts, wenn ich auf meiner Matratze versuche zu schlafen, wie Männer an die Wand meiner Hütte pinkeln“, erzählt Dagmar.

Und auch wenn man endlich der Straße entkommen ist - wie die 26-Jährige Steffi - heißt das noch lange nicht, dass man wieder ein normales Leben führen kann. Noch immer leidet sie unter Erfahrungen, die sie gemacht hat, als sie Monate lang unter einer Brücke schlief.

Bisher gibt es seitens Politik und Gesellschaft wenig Hilfsangebote für obdachlose Frauen wie Steffi, Dagmar und Maike.

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🎥 Ein Film für Menschen hautnah von Susanne Jäger
Dieser Film wurde im Jahr 2020 produziert. Alle Aussagen und Fakten entsprechen dem damaligen Stand und wurden seit dem nicht aktualisiert.
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#Wohnungslosigkeit #Wohnungsnot #WDRDoku #Obdachlosigkeit #Arbeitslosigkeit

All Comments (21)
  • @WDRDoku
    UPDATE: Für die Frauen aus dem Film gibt es gute Neuigkeiten. Die Stadt Köln hat Steffi endlich eine schimmelfreie Wohnung zur Verfügung gestellt. Gesundheitlich geht es ihr dadurch schon etwas besser. Eine Zuschauerin hat es geschafft Dagmar und Dennis jeweils eine eigen Wohnung zu vermitteln. Beide werden wohl noch einige Zeit brauchen, ihre Erlebnisse zu verarbeiten.
  • @mordocHH1983
    Dennis hat auf seine Ma aufgepasst.... Guter Junge. Ich hoffe, dass beide wieder ein vernünftiges Leben führen können. Unfassbar, dass estwas überhaupt in Deutschland möglich ist.
  • @ramonakthrna
    Wahnsinn und trotzdem verlieren sie nicht ihren Kampfgeist und die Selbstachtung! Starker Sohn, starke Mutter!!❤
  • @huibu8987
    Niemand sollte aufgrund bürokratischer Hürden obdachlos sein oder einen Nachteil erleiden.
  • Es ist erschreckend, wie schnell man den Boden unter den Füßen verlieren kann.
  • Beschämend für unsere Gesellschaft. Unfassbar und unendlich traurig. Jeden kann es treffen, daher sollte Respekt und Nächstenliebe das Ziel sein.
  • @pulsreportage
    Zu dem Thema liest man ja auch immer wieder Kommentare wie: "In Deutschland muss niemand auf der Straße zu landen." Dass die Realität aber leider anderes aussieht, zeigt dieser Beitrag wahnsinnig anschaulich & menschlich ... Total wichtiger Beitrag, danke dafür! Wir haben uns auch sehr gefreut, das Update zu Dagmar und Dennis zu lesen <3  Wir schauen uns in unserer aktuellen Reportage an, was Fremde auch kurzfristig für (kleine) Hilfe leisten können - vor allem jetzt im Winter bei der Kälte. Ganz liebe Grüße von den Kolleg:innen von PULS Reportage
  • @ebonybrown2221
    Wie kann man beruhigt in seiner Wohnung schlafen, wenn die eigene Mutter auf der Straße schläft?
  • @waldquelle354
    Bei der schimmeligen Wohnung ist mir ganz anders geworden. Gibt es da wirklich keine Möglichkeit eine Wohnung ohne Schimmel zu bekommen? Ich bin entsetzt
  • @dennislee4814
    Neben dem Mitgefühl für die Betroffenen, wird einem in erster Linie klar, wie glücklich man sich schätzen kann.
  • @irmgardsigl3953
    Odachlos ist man schneller als man denkt! Und Niemand fühlt sich zuständig für diese Menschen die oft unverschuldet in eine ausweglose Situation kommen!😢😢
  • @summerrain11399
    34:30 kann ich leider voll und ganz bestätigen. Ich bin kurz nach meinem Abi krank geworden. Als es mir besser ging, wollte ich über einen Aushilfsjob wieder einsteigen. Beim Arbeitsamt wurden mir Jobs vorgeschlagen, die nicht wirklich meiner Vorstellung entsprachen. Als ich die Dame darauf ansprach, sagte sie mir, dass ich froh sein solle, wenn mich überhaupt jemand haben wolle. Ich war 19, hatte ein 1,4 Abi und eine Famile, die mich enorm unterstützt hat. Ich hab mir dann innerhalb von 3 Tagen selbst einen Job besorgt als Hilfskraft in einem Krankenhaus. Mittlerweile bin ich Krankenschwester und studiere Medizin. Rückblickend weiß ich, dass mir damals so viele Wege offen gestanden haben, aber diese Frau hat alles getan, um mir das letzte bisschen Glaube an mich selbst zu nehmen. Wie es Menschen ergehen muss, die eine schlechtere Ausgangslage haben als ich damals, will ich mir gar nicht vorstellen müssen...
  • @Emily-dj4zu
    Danke, dass ihr uns diese Menschen sichtbar macht
  • @francesu.6641
    Kleiner Tipp am Rande! Macht immer eine Kopie von allem und lasst euch immer einen Eingangsstempel darauf geben, damit ihr eine Bestätigung habt. Mein Freund und ich haben das ganze Drama wegen Jobcenter auch durch und seine Mutter, die da gearbeitet hat, hat uns den Tipp gegeben und es hat uns dann so manches erspart, aber leider eben nicht alles.
  • Eine tief berührende, bewegende und auch schockierende Dokumentation. Vielen Dank an Susanne Jäger und ihr Team.
  • Dieser Schimmel ist ja wirklich schwer bedenklich...dass die junge Frau da leben muss schockiert mich echt ins Tiefste. Dazu noch mit einer solchen Diagnose...da fehlen einem einfach nur die Worte. 😢
  • Oh Gott, wie liebevoll Mutter und Sohn miteinander umgehen. Mir blutet das Herz, wenn ich sehe, wie Menschen leben müssen. Das hat niemand verdient. Ihr seid so starke Menschen! Ich wünsche euch, dass es euch bald besser gehen möge.
  • @user-wk4is1vy1j
    Einfach nur unfassbar!!! Dass so herzliche und sympathische, Menschen auf der Straße leben müssen . Ich kann nur hoffen, dass diese Doku Geschichte ist und dass sie jetzt endlich eine Wohnung bekommen und alles weitere wieder in einigermaßen und geregelten Bahnen läuft. Alles gute 🍀
  • @padmaji
    Habe die Doku gestern Abend gesegen, die Menschen haben mich sehr berührt und nicht mehr losgelassen. So unglaublich traurig, dass es in einer Gesellschaft wie unserer so etwas geben kann. Ich wollte gerade schauen, ob es eine Adresse gibt, wo ich helfen kann. Und lese dies Update, das mich überaus freut!! Vielen Dank dafür, Dank für die gute Doku und Dank den Helfern!