Tabletten gegen Depressionen | WDR Doku

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Published 2022-10-04
Ärztinnen und Ärzte verordnen jedes Jahr Antidepressiva in einer Menge, die ausreicht, 80 Millionen Menschen in Deutschland für mehr als einen halben Monat zu versorgen. Die Verschreibungszahlen haben sich seit 1990 verachtfacht, obwohl es immer wieder Zweifel an der Wirksamkeit von Antidepressiva gibt. Bereits 2008 zeigte eine groß angelegte Studie, dass es bei mittelschweren und leichten Depressionen keinen Unterschied macht, ob man ein Scheinmedikament nimmt, Placebo genannt, oder das echte Medikament.

"Die Tabletten sind für mich seit vielen Jahren treue Begleiter bei der Bewältigung meiner Depressionen." Christine (52) hat ihren Job als Behördenleiterin durch die Depression verloren.

Was machen die Medikamente in ihrem Körper? Die meisten Antidepressiva verändern den Spiegel von bestimmten Botenstoffen im Gehirn, vor allem von Serotonin. Lange dachte man, dass ein zu niedriger Serotoninspiegel, die Depression auslöst – mittlerweile ist diese These widerlegt. Was bei einer Depression im Gehirn passiert, haben Wissenschaftler und Ärzte bis heute nicht wirklich verstanden – dem Verkaufserfolg der Antidepressiva tut das keinen Abbruch. Wie also können die Pillen Christine helfen?

Mary (42) verflucht den Tag, an dem sie angefangen hat, Antidepressiva zu nehmen: „Sie haben mein Leben nicht verbessert, sondern erheblich verschlechtert.“ Seit vier Jahren dosiert Mary die Tabletten in kleinen Schritten runter, aber ihr Körper rebelliert dagegen. „Diese Absetzprobleme werden bislang total unterschätzt“, sagt Professor Tom Bschor, einer der führenden Antidepressiva-Experten in Deutschland. Wer die Tabletten über längere Zeit nehme, käme oft nur noch schwer von ihnen los. Auch das, vermutet Bschor, dürfte ein Grund dafür sein, warum immer mehr Antidepressiva genommen werden.

Professor Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe sieht in den Medikamenten ein wirksames Werkzeug gegen Depressionen: „Der Effekt von Antidepressiva zeigt sich im Versorgungsalltag. Da können sie beobachten, wie die Mittel wirken. Das ist meine klinische Erfahrung“, sagt Hegerl.

Helfen Tabletten gegen Depressionen? Und welchen Preis zahlen die Patienten und Patientinnen? Wieso kann ein Medikament, das so umstritten ist, so erfolgreich sein?

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🎥 Ein Film für Die Story im Ersten von Ulf Eberle.
Dieser Film wurde im Jahr 2022 produziert. Alle Aussagen und Fakten entsprechen dem damaligen Stand und wurden seitdem nicht aktualisiert.
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#Antidepressiva #Depression #WDRDoku

All Comments (21)
  • @WDRDoku
    Liebe Community, wir sind unseren Protagonist:innen sehr dankbar, dass sie uns das Vertrauen entgegenbringen, in unseren Filmen mitmachen, viel über sich erzählen und euch auf diese Weise tief in ihr Leben blicken lassen. Das ist nicht selbstverständlich! Uns ist es ein großes Anliegen, dass unsere Protagonist:innen sich auch nach Veröffentlichung des Films wohl fühlen. Auch, weil es in diesem Film um psychische Erkrankungen geht und wir unsere Protagonist:innen schützen möchten, werden wir die Kommentare in diesem Fall strenger als sonst bewerten. Das bedeutet, dass wir auch Kommentare verbergen, die möglicherweise nicht gegen unsere Nettiquette verstoßen, aber von den Protagonist:innen selbst als verletzend empfunden werden. Wir hoffen ihr habt Verständnis dafür! Eure eigenen Meinungen und Erfahrungen zum Thema Antidepressiva könnt ihr natürlich sehr gerne kommentieren, wir freuen uns über eine Diskussion darüber. Euer WDR Doku Team
  • @wunnibald123
    Dieser Druck in der heutigen Zeit. Geht schon in der Schule los. Später im Job. Man muss immer und überall erreichbar sein. Immer funktionieren. Stress ist normal. Immer schneller, weiter, höher. Das macht uns krank und traurig.
  • Stark, dass ihr Lobby-Arbeit oder Interessenskonflikte in den Interviews direkt ansprecht
  • Wenn jemand von Pharmaunternehmen bezahlt wird und dann der Meinung ist er sei unbeinflusst .... Danke dass das mal jemand anspricht!
  • @eb3222
    Leuten zu sagen, sie müssen sich überwinden und dies und jenes tun, damit es ihnen danach besser geht, finde ich wirklich gefährlich. Denn wenn jemand das nicht schafft (und gerade das macht eine Depression ja aus), wird er/sie sich selbst für sein/ihr Leiden verantwortlich machen bzw. sich selbst die Schuld dafür geben. Was die Depression nur weiter verschlimmert.
  • @JohnDoe-zv4xi
    Ich habe seit meinem 16. Lebensjahr Depressionen, die erste schwere Episode war für mich wie ein K.O. ohne Hoffnung je wieder aufzustehen. Heute bin ich 40 Jahre alt und noch immer depressiv. Diese Erkrankung hat meine Lebensqualität massiv beeinträchtigt. Meiner Meinung nach ist jegliche Therapieform schwierig, die Serotoninhypothese ist einfach lächerlich. Bei schwer depressiven Menschen sind Antidepressiva durchaus sinnvoll. Die Absetzsymptomatik ist allgemein bekannt und auch gut in den Griff zu bekommen. Ich habe jegliche Therapieformen und sämtliche Medikamente hinter mir und kann mir noch immer nicht die Frage beantworten, ob widrige Lebensumstände in die Depression führen oder ob man durch die Depression erst in widrige Lebensumstände gerät. Ich möchte hier auch ein paar Erkenntnisse aus meiner persönlichen, jahrelangen Erfahrung mit der Erkrankung teilen: Es ist schwierig den "Impact" der Erkrankung auf das eigene Leben nach außen zu kommunizieren. Erwartet von Ärzten und Psychologen nicht zu viel, setzt nicht all eure Hoffnung auf das Gesundheitswesen. Arbeitet in guten Phasen an wirksamen Copingstrategien, meidet Copingstrategien die euch langfristig Schaden zufügen. Trefft in einer depressiven Episode keine wichtigen Entscheidungen. Verlasst euch nicht auf die gesellschaftliche Akzeptanz der Erkrankung, so etwas existiert nur in der medialen Welt. Ein Job mit viel Bewegung und körperlichen Tätigkeiten kann sehr hilfreich sein, auch wenn es kein Traumjob ist. Depressionen verändern massiv das eigene Denken, es wird verlangsamt, verzerrt, beschleunigt, ständig wiederholt und einseitig auf alles Negative konzentriert. Findet heraus wie ihr eure negative Gedankenspirale möglichst effektiv sprengen könnt. Rechnet damit, dass die Depression in den seltensten Fällen ein einmaliges Ereignis im Leben bleibt. Zum Thema negative Copingstrategien: Viele Menschen neigen verständlicherweise dazu eine Depression mit Sucht- und/oder Betäubungsmitteln zu bekämpfen, ich kann davon nur dringend abraten. Leidet man zum Beispiel als Raucher unter Depressionen, ist es sehr hilfreich sich sofort vom Rauchen zu verabschieden.
  • @n.k.4433
    Sehr lobenswert, dass auch kritische Fragen gestellt werden und sich nicht nur mit irgendeiner Antwort zufrieden gegeben wird, sondern auch mehrmals nachgehakt wird. Ich fand die Doku sehr angenehm zu schauen, vor allem weil ihr viele Seiten beleuchtet habt, seien es persönliche Geschichten oder wissenschaftliche Aspekte. Vielen Dank!
  • Wer nicht selber eine Depression inkl. Angststörung durchleiden musste, kann sich kein Urteil erlauben. Mir hat für einen Zeitraum von einigen Monaten die Einnahme eines leichten Anti-Depressiva sehr geholfen. Ich konnte es auch relativ schnell absetzen und hatte das Glück keine Nebenwirkungen zu haben. Man sollte nicht immer per se alle Medikamente verteufeln.
  • @KnilchGaming
    Wie sehr ich Lobbyisten doch verachte, die dann noch die Frechheit besitzen zu sagen, "Ich sehe da keinen Interessenskonflikt". Wenn er nicht davon abhängig ist, warum macht er es dann?
  • @F3nryl
    Ich muss mein Lob aussprechen, dass ihr euch traut kritischen Fragen zu stellen! Das ist guter Journalismus.
  • @hardysky6062
    Als meine Frau in eine Depression fiel, war es eine Bewährungsprobe für unsere Ehe. Aber ich habe sie nicht alleine gelassen. Und neben den ganzen Maßnahmen die getroffen wurde, habe ich jeden Arzt bei dem sie war gefragt, was kann ich für sie tun kann. Heute geht‘s ihr deutlich besser .
  • Es ist das erste Mal, dass ich einen derartigen Hinweis bei einer Dokumentation sehe und finde diese Form auch journalistischer Achtsamkeit sehr wertvoll. Danke dafür!
  • @anjas.6240
    Ja, die liebe Pharmaindustrie und deren Honorare. Schön, dass auch dieses Thema mal hinterfragt bzw. angesprochen wurde. Hut ab
  • Ich wollte jahrelang keine Antidepressiva nehmen, weil ich auch von Studien gelesen hatte, die die Wirksamkeit relativieren. Jetzt nehme ich wieder ein Medikament und es geht mir besser. Das Grundgefühl ist wieder Zuversicht.
  • @Astral1187
    Ich habe meine Borderline Erkrankung, begleitet mit einer postraumatischen Belastungsstörung, Depressionen und selbstverletzendem Verhalten, sehr gut in den Griff bekommen mit Antidepressiva. Dazu noch eine stationäre Therapie vor zwei Jahren - seitdem geht es mir das erste Mal in meinem Leben richtig gut!
  • @newta5208
    Ich bin sehr dankbar, dass es Antidepressiva gibt, weil ich ohne Suizid begangen hätte. Die Intensität der Erkrankung war unglaublich. Ich konnte nicht mehr kohärent oder logisch denken, entweder war mein Kopf leer oder hektisch und panisch. Ich war paranoid, extrem stark auto-aggressiv und es gab keinen Tag mehr, and dem ich keine Todessehnsucht hatte. Meine Lebenssituation war auch aus weiteren Gründen für mich unerträglich. Dank meiner Medikamente konnte ich wieder in die Schule gehen, mal ein sinnvolles Gespräch führen oder ein Essay schreiben und ohne Todeswünsche und unerträgliche Anspannung in der Früh aufwachen. Ich weiß nicht, wie es weitergeht mit den Tabletten, aber ohne wäre ich jetzt nicht mehr da. Ich kann nur für mich individuell sprechen, aber für mich war es der einzige und richtige Weg.
  • @lukaskrueger3396
    Ich nehme seit 3 Jahren Citalopram 30mg. Seit 8 Jahren Depression, 1x Klinik, mehrfach ambulante Therapie. Ich habe auch lange gebraucht bis ich an die Medikamente Ran wollte. Ich konnte mich erst darauf einlassen als es mir Richtig schlecht ging, sprich der Leidensdruck groß genug war. Und rückblickend muss ich sagen - Gott sei Dank! Es war eine meiner besten Entscheidungen das für mich zuzulassen. Das Medikament hat mein Leben verändert, Nebenwirkungen habe ich null... Wirklich absolut garnix. Das einzige hässliche waren die 2-3 Wochen einschleichen. Ist halt so. Ich bin inzwischen 33, habe einen kleinen Sohn und eine liebevolle Frau. Ich werde nen Teufel tun diese Medikamente abzusetzen solange meine Leberwerte auf dem Wert eines Kindes bleiben. Ich bin dankbar das diese Medikamente existieren und finde das generell über dieses Thema zu wenig geredet wird. Danke für diese tolle Doku, vor allem das so viele Standpunkte dargestellt werden! ❤
  • @johannak.5969
    Antidepressiva sollten auch langsam „ausgeschlichen“ werden und nicht von jetzt auf gleich abgesetzt werden..
  • Eine sehr gute Dokumetation. Als Betroffener war ich sehr bestürzt, ein Antidepressivum eingenommen zu haben, das mit erheblichen Nebenwirkungen bis hin zum Aufsuchen der Rettungsstelle von mir in Kauf genommen wurde. Auch wurde die viel zu lange Einnahmezeit nicht begleitet. Nach über einem Jahr der Einnahme, habe ich dann das Medikament abgesetzt. Was mit sogenannten Entzugserscheinungen begleitet war. Heute bin ich der Überzeugung : wenn Nebenwirkungen stärker sind,als die tatsächliche Wirkung des Medikamentes, sollte man sich sehr gut überlegen, ob man es nimmt oder weglässt. Heute lebe ich mit meiner Depression und habe sie akzeptiert. Sie gehört zu mir und ist mal schwer, mal akzeptabel. Mein Umfeld unterstützt mich jederzeit. Und dafür bin ich dankbar.
  • @Klobsi
    Vielen Dank für diesen kritischen Beitrag. Hatte selbst Entzugserscheinungen beim Absetzen von Venlafaxin und habe ca. zwei Jahre gebraucht, bis ich davon endlich weg war. Das schlimmste war wirklich, dass mein Neurologe mir nicht geglaubt hat und mir einreden wollte, dass es keine Abhängigkeiten bei solchen Tabletten gibt. Ich war sehr froh, als ich im Internet von den gleichen Absetzsymptomen gelesen habe. Dieser Beitrag bestätigt das auch nochmal.