Traumatische Geburt - Gewalt im Kreißsaal | WDR Doku

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Published 2020-01-28
Die Geburt: Ein Kind auf die Welt zu bringen, ist ein kleines Wunder - und die meisten Frauen bereiten sich gründlich und voller Vorfreude darauf vor: Sie besichtigen Kreißsäle und lassen sich informieren über eine sanfte und sichere Geburt, an deren Ende sie erschöpft und glücklich ihr Kind im Arm halten. Doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus.

Auch Sabrina hatte sich auf ihr erstes Kind gefreut. Heute beschreibt sie die Geburt ihrer Tochter vor 4 Jahren als "Hölle". Die Entbindung wurde künstlich eingeleitet, dauerte 3 Tage - und endete in einem Kaiserschnitt, bei dem die Ärzte operierten, ohne die Wirkung der Narkose abzuwarten: "Es war als hätten sie mich mit den Händen aufgerissen und wie ein Rudel Wölfe zerfleischt." Seitdem bestimmen Flashbacks, Alpträume und Panikattacken Sabrinas Alltag. Das Empfinden, ohnmächtig und ausgeliefert zu sein, geht nicht mehr weg - auch Wochen und Monate nach der Geburt. Sabrina fühlt sich wie ausgeschlossen von der Welt, überfordert, spürt keine Bindung zu ihrem Kind. Sie ist ständig niedergeschlagen, abwesend und aggressiv.

Auch ihr Mann und ihre Mutter leiden unter Sabrinas psychischen Ausnahmezustand. Dann sieht sie im Internet einen Film aus der Reihe "Die Story" und erfährt, dass sie nicht allein ist mit ihrem Leid nach einer traumatischen Geburt. Hunderte Frauen schreiben Kommentare zu diesem Film und stellen eigene Geburtsberichte online. Auch Hebammen melden sich. Sabrina entschließt sich, gegen das Krankenhaus zu klagen. Sie hofft, dass man sie vor Gericht ernst nimmt und sie das Trauma dann besser überwinden kann.

Anja Lehnertz hat sechs Kinder geboren - und ungezählten auf die Welt geholfen. Die 43-jährige Hebamme weiß, wie wichtig ein gesunder Start ins Leben ist. Dabei wollte sie mithelfen. Doch im Kreißsaal erlebte sie immer wieder, dass Frauen nicht zugehört wird und sie nicht gefragt werden. Dass sie mangelhaft aufgeklärt und in routinierte Abläufe gezwungen werden. Dass viele am Ende die Geburt ihres Kindes sogar als Misshandlung, Nötigung oder Vergewaltigung beschreiben. Auch Anja war an Grenzüberschreitungen beteiligt - einige Geburten belasten bis heute ihr Gewissen. Sie will so nicht weitermachen und hat einen Artikel über die Situation im Kreißsaal geschrieben. Seitdem gilt sie in ihrer Branche als Nestbeschmutzerin. Doch Aufgeben kommt für sie nicht in Frage: Jetzt studiert sie Hebammenwesen und will ihre 20-jährige Berufserfahrung nutzen, um Diskussionen über Gewalt in den Kreißsälen anzustoßen. Es muss sich etwas ändern, findet Anja.

Mit Sabrina und Anja erzählt "Menschen hautnah" die Geschichten aus dem ersten Film weiter. Zwei Frauen, die nicht länger schweigen wollen über ein Thema, das viel zu lange ein Tabu war.

Update: Auf Wunsch einzelner Personen haben wir die Aufnahmen aus der Vorlesung unkenntlich gemacht.
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Ein Film für Menschen Hautnah von Caterina Woj.

Dieser Film wurde im Jahr 2020 produziert. Alle Aussagen und Fakten entsprechen dem damaligen Stand und wurden seit dem nicht aktualisiert.

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All Comments (21)
  • @WDRDoku
    UPDATE: Viele von euch haben uns gefragt, wie es Catrin inzwischen geht. Sie hat uns mitgeteilt, dass ihre Traumatherapie, um die Gewalterfahrungen ihrer Entbindung zu verarbeiten, bald abgeschlossen ist. Die verschiedenen Retraumatisierungen nach der Geburt arbeitet sie noch auf. Catrin engagiert sich auf dem Facebook-Profil der „Rosenmütter Rhein-Main Selbsthilfe“ sowie im Verein Traum(a)Geburt e.V., um anderen Betroffenen zu helfen. Von ihrem Partner hat Catrin sich zwei Jahre nach der Geburt getrennt. Die verschiedenen juristischen Verfahren zum Fall laufen derzeit immer noch, unter anderem aufgrund der Corona-Pandemie ist es zu Verzögerungen gekommen. Auch die Hebamme Anja Lehnertz kämpft weiterhin gegen Gewalt in der Geburtshilfe und entwickelt gerade mit dem Trauma-Institut in Luxemburg eine Fortbildung zum Thema, um das Fachpersonal über die weitreichenden Folgen aufzuklären.
  • @angelplush6739
    Da habe ich persönlich echt Angst mal Mutter zu werden, da vergeht einem ja echt alles.
  • @ak-nn2uo
    Ich wünsche Sabrina, dass sie irgenwann den Geburtstag ihrer Tochter feiern kann, ohne schreckliche Flashbacks❤️
  • @xshiirokitsune
    Ich habe keine Worte... Die armen Frauen, die sowas erleiden mussten!
  • @mara3572
    35:11 das ist so ekelhaft wenn zwei alte Männer die selbst nie schwanger werden darüber entscheiden was eine Frau bei der Geburt im Kreißsaal braucht oder auch nicht
  • @gabiw.4964
    Ich finde es gut dass diese Dinge endlich ausgesprochen werden, bei meiner ersten Geburt, war alles total schlimm. Die Hebamme glaubte mir nicht, dass die Wehe nicht weg war, als sie den Wehenschreiber anschloss, logischerweise zeigte der dann falsch an, die Hebamme machte sich lustig über mich. Sie sprach dann sogar noch andere Frauen im Zimmer an, ermunterte sie, sich auch über mich lustig zu machen. Nach einiger Zeit fing sie sogar an, mir zu drohen. Brüllte mich an, ich solle aufhören mich so blöd anzustellen, sie würde sonst gehen. Die Wehen kamen immer häufiger und ich bettelte in den Kreissaal gebracht zu werden, ich spürte, es ist bald soweit. Die Hebamme orientierte sich aber am Wehenschreiber, brüllte, nein, ihr Kind kommt erst morgen früh. Ich ließ nicht locker, hatte solche Angst, diese Frau lachte nur über mich, die Frauen im Zimmer waren mittlerweile genervt, waren sehr verächtlich, meinten, was machen sie denn, wenn die Wehen erst richtig da sind, sterben?? Ich war verzweifelt, weinte, klingelte nach der Schwester. Endlich war die Hebamme wieder da, sie meinte pampig, so, sie können jetzt in den Kreissaal, aber der Arzt kommt erst morgen früh, sie müssen aber dahin laufen, na gut, ich brüllte vor schmerzen das Krankenhaus zusammen. Dann meinte sie noch, übrigens, wenn ein Notfall rein kommt, müssen sie da wieder raus. Als ich im Kreissaal angekommen war, schaffte ich es so eben auf diesen Tisch, Trage, Bett weiß der Himmel. Als ich lag, kam die erste Presswehe, diese blöde Kuh schrie mich dann an, ich solle aufhören zu pressen, nach der zweiten Presswehe war mein Kind da, sie fing ihn auf, schaffte es gerade so zu ihm. Meinte später, ach das ist ja ein Ding, ich hätte gewettet, der kommt erst morgen früh. Der Arzt war natürlich nicht da, ich will lieber nicht darüber nachdenken was passiert wäre, wenn es nicht alles so glatt gegangen wäre. Ich habe mich im Leben nie wieder so verletzlich und ausgeliefert gefühlt, allesamt waren gefühlskalt und einfach gemein. Es mag ja sein dass es Frauen gibt, die diesen Schmerz besser, manche vielleicht schlechter aushalten. Ich finde wenn einen das so nervt, sollte man keine Hebamme werden, gerade Frauen die diese schmerzen schon früh schwer aushalten können, brauchen Unterstützung. Macht unbedingt weiter so, viel mehr Frauen sollten von ihren Erfahrungen berichten.
  • Das ist die Öffentlichkeitsarbeit, die Journalisten tun sollten. Diese Doku, so sehe ich es, ist ein erster und wichtiger Schritt um etwas zu ändern. Danke.
  • @gloriagraz910
    Schlimm auch, dass die Opfer immer 'in Therapie' gehen müssen anstatt dass die verantwortlichen Ärzte und Schwestern suspendiert und bestraft werden. Auch mir ist so viel Gewalt angetan worden in meinem Leben und immer ist es das Gleiche, sobald ich den Mut finde meinen Schmerz einmal ausdrücken werde ich angegriffen und beleidigt.
  • Ich bin bald Ärztin und es macht mich so sauer, dass die Kommunikation und Wertschätzung zwischen den verschiedenen Gesundheitsberufen noch so scheiße ist. Hauptsache Hierarchien und Machtpositionen erhalten, anstatt wirklich wertzuschätzen und zuzuhören. Klar, im Grund liegt das Problem natürlich in der Ökonomisierung des Gesundheitssystems, aber bevor das geändert wird, sollte man wenigstens sein bestes tun, um zuzuhören...
  • Ich habe höchsten Respekt vor Menschen, die Missstände aufdecken und anprangern. Tolle Hebamme!!!!
  • Das die Studentinnen zunächst nichts gesagt haben - beantwortet schon alles...
  • Ich bin fassungslos!!! Da wird einem wirklich anders!! So etwas darf nicht ungestraft bleiben!!
  • @rosischnee9895
    Allerhöchsten Respekt vor Sabrinas Mann für seine bedingungslose Liebe, der Mutter für ihre unfassbare Hingabe und Sabrina für den Mut aus dem Dilemma raus zu kommen und für ihr Recht zu kämpfen!!!!
  • @zorabora1266
    Diese Selbstgefälligkeit dieser Herren ist einfach zum Kotzen.
  • @hernameislorena
    Boah diese zwei alten Säcke machen mich so aggressiv, haben ja gut reden, die werden ja nie in die Situation kommen😤
  • @saskiam.9515
    Wieso gibt man Wehencocktails, wenn man schon weiss, dass das Kind eigtl. zu gross ist, für den Geburtskanal? Dann hätte man doch gleich einen Kaiserschnitt-Termin in Ruhe veranlassen können.
  • @KoharuSarah
    Die Dokumentation war zutiefst erschütternd für mich.
  • @johannaglx5976
    Du kämpfst nicht nur für dich und deine Tochter, sondern für jede andere Frau in Deutschland. Danke😭🙏
  • Mir fehlen die Worte, es tut mur so unfassbar leid was euch passiert ist. Alles gute und viel Kraft für die Zukunft.
  • Ich würd mir wirklich wünschen, daß dies Thema, Gewalt in der Schulmedizin auch in anderen Bereichen endlich ernst genommen wird ! Die Verhaltensweisen der Akteure ähneln sich enorm !