Ich verbrenne meine Fahrkarte

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Published 2016-05-25
Die Deutsche Bahn hat auf den Shitstorm reagiert:
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Zum Umgang mit Kommentaren:
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--- Ursprünglicher Blogpost --
Originalvideo bei Facebook: www.praetorius.com/link/fahrkartefbvideo
Ich habe heute folgende Geschichte erlebt, die mir noch immer Herzrasen verursacht. Eine junge Frau kommt von China in Deutschland an, sie hat ab morgen eine Stelle als Au Pair in München.
Es ist nachmittag, die Frau hat einen langen Flug hinter sich und lehnt mit ihrem Kopf müde am Fenster als es eine Fahrscheinkontrolle gibt. Sie zeigt ihm das Flughafenticket für 12,40 Euro, das sie am Automaten am Flughafen gekauft hat. Ein Mann hatte ihr am Flughafen geholfen das Ticket zu lösen. Dass es dabei zwei Ticketvarianten gibt, eine zum selbst abstempeln und eine bereits gelöste Variante, weiss die junge Frau nicht. Die war um die Hilfe am Fahrscheinautomaten froh.

Beim Blick auf ihr Ticket sagt der Kontrolleur mit bayerischen Akzent, “Da ham ma jetzt a Problem!” - Das Ticket ist nicht abgestempelt. Die Frau schaut ihn fragend an. Er fragt, ob sie Deutsche spreche, sie schaut ihn erneut fragend an. Die Frau gegenüber versucht zu übersetzen. Der Kontrolleur erklärt ihr auf Deutsch, dass sie keinen gültigen Fahrschein habe und fragt, ob Sie Touristin in Deutschland sei, denn auch als Touristin bräuchte sie einen gültigen Fahrschein. Die Frau versteht ihn nicht. Auch nach der Übersetzung der anderen Dame - beide kennen sich übrigens nicht, sondern stammen nur aus demselben Land - versteht sie es immer noch nicht. Sie hat eine Fahrkarte für korrekte 12,40 Euro in der Hand, der Kontrolleur deutet auf die Tafel auf dem S-Bahn Fenster - ohne gültigen Fahrschein 60 Euro Strafe.

Verstehen Sie P-o-l-i-z-e-i? Die Frau beginnt zu weinen.

Die Frau hat keine 60 Euro Bargeld dabei, sie hat auch keine Geldkarte, sie versteht auch nicht immer nicht ganz, was sie falsch gemacht hat. Der Mann möchte ihren Pass sehen, als sie ihm verunsichert ihren chinesischen Pass zeigt, erwidert der Kontrolleur, warum sie ihn angelogen habe, “sie haben eine Arbeitsgenehmigung für Deutschland, sehe ich hier”. Sie sei ja gar keine Touristin. Die Frau, die ein wenig deutsch versteht, auch langsames Englisch gut versteht ist verunsichert. Sie weiss immer noch nicht, was sie falsch gemacht hat und fragt nach ihrem Pass. Der Kontrolleur sagt zu ihr, er behalte den Pass jetzt, da sie kein Bargeld habe und nicht bezahlen könne. Sie Frau wird ängstlich und steckt die Hände nach ihrem Pass aus. Der Kontrolleur sagt, er werde sie jetzt mit zum Ostbahnhof zur Polizei mitnehmen - “Verstehen Sie P-o-l-i-z-e-i, fragt er sie deutlich. Die Frau beginnt zu weinen.

In diesem Moment schalte ich mich ein, und frage den Kontrolleur, ob ich bitte die 60 Euro bezahlen dürfe, oder ob er einfach ein Auge zu drücken könne. In meinem Geldbeutel sind 20 Euro und eine EC-Karte. Das reicht nicht. Ein Auge zudrücken will der Kontrolleur nicht. Die Frau hat tränen im Gesicht und ist verstört. Ich erkläre ihr langsam auf englisch, dass sie sich keine Sorgen machen solle und erkläre ihr, dass ich sie so lange begleite, bis das Problem gelöst sein wird.. Nach vier langen Stationen voller Unsicherheit in ihren Augen und einigen Fahrgästen, die den Kontrolleur verständnislos ansehen steigen wir aus.

Die Willkommenskultur der Bahn: Die Fahrpreisnacherhebung war doch nicht unbegründet

In dieser Zeit bitte ich den Twitter-Account der Deutsche Bahn Personenverkehr er möge sich schnellstmöglich bei mir melden. Der Account beginnt mir nach wenigen Minuten zu antworten. Zitat: Die Fahrpreisnacherhebung war doch nicht unbegründet, wenn kein gültiges Ticket vorlag. Ein Trost: zumindest ist der Bahn (Betreiber der S-Bahn München) nicht klar, warum der Kontrolleur den Pass einbehält, was wohl ein massiver Verstoss gegen seine Kompetenzen ist, neben der Tatsache, dass der Mann die junge Frau offensichtlich völlig eingeschüchtert hat.

Das Wort “Fahrpreisnacherhebung” halte ich übrigens - wie ich schon 2011 geschrieben habe für einen Euphemismus erster Stufe, die Bahn stellt eine Frau, die 12,40 Euro bezahlt hat auf die Stufe mit Systemschmarotzern und Betrügern, in diesem Fall zieht der Kontrolleur den Ausweis ein und fordert die Frau auf, ihm am Ostbahnhof zu Polizei zu folgen.
Sollte der Mann hier seine Kompetenzen überschritten haben, sollte er sofort aus dem Verkehr gezogen werden, hat der Mann korrekt nach den Vorschriften der S-Bahn München gehandelt haben, werde ich nie wieder freiwillig S-Bahn fahren.

#deutschebahn #shitstorm #sbahn

All Comments (21)
  • Überall Geld, nirgends Menschlichkeit, Endstufe des Kapitalismus. Schönes Video!
  • @lucalehmann5768
    Ein wahrer Ehrenmann mit Herz. Selten so einen Man mit so viel Zivil Courage gesehen. Wircklich ehrenwerter.
  • @DT-pb9ef
    In Belgien habe ich eine Lücke in meiner Reiseroute gehabt. Hatte Panik ich würde jetzt Schwarzfahren. Der nette Kontroleur hat mir lediglich die Strecke zwischen den Stationen abgerechnet, ich habe die 3,50 gezahlt und wir haben uns eine schöne Reise gewünscht. In Deutschland undenkbar.
  • @SPoRi
    Die Dame freundlich auf den Fehler hinzuweisen und bei ihrem Ausstieg die Fahrkarte gemeinsam nachträglich zu entwerten wäre ein angemessenes Verhalten gewesen. Das mit dem Pass ist kriminell.
  • @cady7944
    Die Bahn ist inzwischen ja schon teurer als das Flugzeug
  • Solche Leute sind echt wahnsinn. Sowas braucht man und ich denke die Frau kann sich total glücklich schätzen dass sie so eine tolle Hilfe bekommen hat
  • @haflitafli6324
    Was ein ehrenvoller mensch.. man kann nur stolz auf sollche typen sein.. hast alles richtig gemacht mein lieber wie du siehst stehen über 90 prozent der leute hier hinter dir 👍✌
  • @ClientHits
    Da fällt mir nur ein Wort ein. "Ehrenmann"
  • @qwertz3652
    Ganz ehrlich, Respekt. So nette Leute gibt es nicht mehr oft auf dieser Welt.
  • Nur so nebenbei: Ein Kontrolleur hat weder das Recht, einen Ausweis einzuziehen, noch einen Fahrgast abzuführen. DAS DARF NUR DIE POLIZEI!!!
  • @kurtcodein8159
    Legenden sagen er ist bis heute zu Fuß unterwegs und wartet auf eine Entschuldigung
  • @temp1530
    11 Tsd. Dislikes von S-Bahn Mitarbeiter
  • @reellezahl
    hab ich auch in NRW erlebt. Touristin aus Italien. Sagte dem Schaffner, er solle sie in Ruhe lassen und sie nicht respektlos behandeln. Einige Mitarbeiter bei der Bahn kennen das Wort Respekt nicht. Die arbeiten mit dem Spruch „Der Kunde liegt immer falsch!“.
  • @Shulkerkiste
    Warum wird mir das jetzt schon seit einem halben Jahr empfohlen ??? :D
  • Dazu muss man auch sagen, dass das Zug bzw. Ticketsystem in China, Japan, Korea usw. viel moderner und einfacher ist. In China bspw. gibt es keine klassischen Zugtickets und auch keine Kontrollen in den Zügen. Tickets werden über das Smartphone gekauft, wo man dann seine Personalausweisnummer eingibt. Dann scannt man am Bahnhof einfach nur den Ausweis und eine Schleuse öffnet sich (ähnlich wie beim Boarding im Flughafen). In Deutschland ist das Ticketsystem extrem veraltet. Menschen aus Länder, welche viel moderner sind, haben natürlich Probleme damit. Ticket kaufen, abstempeln, im Zug jemanden in Zivil oder dem Schaffner vorzeigen? Das ist doch noch aus dem 19. Jahrhundert.
  • @MrWiesel79
    DAS nenne ich solidarisches Verhalten! Hut ab, weiter so.