Hirschhausen und ADHS: So kann die Diagnose Leben verändern | Doku | WDR

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Published 2023-12-28
Eckart von Hirschhausen macht den Selbstversuch. Hat er selbst ADHS? Falls ja: Wie wirken dann Medikamente bei ihm? Die Aufmerksamkeitsstörung ADHS bekommt gerade viel Aufmerksamkeit. In den sozialen Medien wimmelt es vor Selbstoffenbarungen, auch von Prominenten. Ist das eine Modeerscheinung oder ein echtes Problem? Eckart von Hirschhausen hat schon vor 30 Jahren als Arzt in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit jungen ADHS-Patient:innen gearbeitet. Damals begann man das "Zappelphilipp"-Syndrom verstärkt zu diagnostizieren und mit Medikamenten zu behandeln, immer in dem Glauben: "Irgendwann wächst sich das aus". Heute ist klar: Das war ein großer Irrtum.

Eckart von Hirschhausen reist an verschiedene Orte in Deutschland und fragt: Wie leben Betroffene mit der Aufmerksamkeitsstörung und was hilft ihnen wirklich? Werden zu viele Medikamente verschrieben? Zeigt sich ADHS bei Mädchen anders als bei Jungen? Ist ADHS erblich? Und vor allem: Wie oft leiden Erwachsene, ohne von ihrer Störung zu wissen und ohne Hilfe zu bekommen? Neue Studien zeigen: Etwa 2,5 Prozent der Erwachsenen in Deutschland sind betroffen. Das heißt: Ein großer Teil von diesen 1,8 Millionen Menschen hat noch keine Diagnose und keine Behandlung bekommen. Die Publizistin Samira El Ouassil gehört zu den vielen übersehenen Patient:innen, bei denen ADHS erst spät festgestellt wurde. Sie beschreibt die Diagnose als einen der wichtigsten Momente in ihrem Leben.

Häufig fällt ADHS erst auf, wenn Begleit- oder Folgeerkrankungen wie Angstzustände, Depressionen, Essstörungen oder Sucht auftreten. Der Weg bis zur Diagnose ist für ADHS-Betroffene sehr mühsam und langwierig. Es ist schwer, Fachärzt:innen zu finden. Was läuft schief im deutschen Gesundheitswesen?

Wie das Leben aussieht, wenn gleich mehrere Familienmitglieder betroffen sind, zeigt der Besuch bei Familie Franke im Neckartal. Zwei von vier Kindern sind mit ADHS diagnostiziert und auch beim Vater besteht der Verdacht. Vor der Behandlung geriet die Familie regelmäßig an den Rand der Verzweiflung – und auch heute, mit dem Wissen um die Erkrankung, ist der Alltag oft eine Herausforderung.

Gerade im Jugendalter ist ADHS ein großer Risikofaktor für impulsives Verhalten, Konflikte, Unfälle und Drogenabhängigkeit. Eckart von Hirschhausen besucht die Justizvollzuganstalt Meppen und trifft dort Tim. Er nahm mit 15 Jahren Drogen, wurde kriminell und landetet im Knast. Hier bekam er endlich die richtige Diagnose. Damit ist er nicht allein: Untersuchungen zeigen, dass Inhaftierte in Deutschland mindestens fünfmal so häufig von ADHS betroffen sind wie der Rest der Bevölkerung. Wie anders hätte Tims Leben laufen können, wäre sein ADHS früher erkannt worden? Und was kostet die Unterversorgung gesellschaftlich?

Eckart von Hirschhausen trifft in der Reportage auch eine der führenden Forscherinnen für ADHS bei Erwachsenen, die Bonner Psychiaterin Prof. Dr. Alexandra Philipsen. Er lässt sich selbst diagnostizieren: Welche Anteile von ADHS sind bei ihm festzustellen? Ist das der Motor seiner Kreativität? Ab wann ist man eigentlich "gestört"? Und können ihm Medikamente helfen, sich besser zu fokussieren? Hirschhausen: "Es ist nicht meine erste Reportage – aber vielleicht die persönlichste".

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🩷 Mehr Hirschhausen-Dokus in der ARD-Mediathek: 1.ard.de/hirschhausen?WDRyt_d
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❤️ Eckhart von Hirschhausen auf Instagram: www.instagram.com/eckart_von_hirschhausen/
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Du hast den Verdacht selbst betroffen zu sein? Hier findest du weitere Infos & Hilfe:
🧡 ADHS Deutschland e.V.: www.adhs-deutschland.de/
💛 Zentrales ADHS-Netz: www.zentrales-adhs-netz.de/
💚 Infoportal ADHS: www.adhs.info/
🩵 Das ADHS-KOmpendium: www.ADxS.org/
💙 Eine Auswahl von Spezialambulanzen: www.zentrales-adhs-netz.de/spezialambulanzen/
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"Hirschhausen und ADHS" ist eine Produktion der Bilderfest GmbH (Buch: Katharina Schneider, Regie: Kristin Siebert, Produzent: Stefan Otter) aus dem Jahr 2023, im Auftrag des WDR (Redaktion: Daniele Jörg, redaktionelle Mitarbeit: Tina Srowig) für Das Erste.
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All Comments (21)
  • @ubermut1379
    Als eine Person mit ADHS: es wird schlimmer, wenn es mir psychisch schlecht geht. Medikamente helfen, aber machen mich nicht „normal“. Und der Kapitalismus macht mein Leben schwerer. Ich bin nicht konsistent. Auch mit den Medis. Leistungsdruck macht mich schwächer. Ich wünsche mir, in einer Gesellschaft zu leben, in der ein breites Spektrum an Menschen Platz hat, Unterschiede gefeiert werden und nicht verteufelt.
  • Finde es echt cool und mutig, dass die Tochter die Aussage der Mutter korrigiert und auch die weniger schönen Wirkungen der Medikamente anspricht. 💪🏼
  • Finnja ist ein gutes Beispiel dafür, warum man nicht andere (auch nicht die Eltern) in den Fokus einer Reportage stellen sollte. Sie hätte es verdient viel mehr über sich selbst reden zu dürfen, als über sich reden zu lassen. Es wirkt auch nicht sehr respektvoll ihr gegenüber.
  • Puh... Ich finde diese Szene am 13:10 krass. Ich habe/hatte selbst als kind ADS und meine Mutter und ich haben Ritalin darmals ausprobiert. Ich kann dieses stöhnen der Tocher ("ich hab dann immer so das gefühl das ich so Ööh")so gut nachvollziehen. Es war als würde ein Teil meiner persönlichkeit ausgeschalten oder ruhig gestellt sein. Ich bin der Meinung das es vielen Helfen kann, aber für mich war das darmals echt schlimm und wir haben es wieder abgesetzt. Ich glaube dieses gefühl, einen teil der, wenn auch nicht immer einfachen, persönlichkeit zu verlieren, ist nicht liecht zu beschreiben und ich fand es krass das die Mutter in der Reportage so selbstverständlich sagt, "wir haben es kein Tag bereut" und mutig bzw. ehrlich von der Tochter dies auch anzusprechen. Auch über solche gefühle muss man reden können auch wenn die positiven aspekte des medikaments überwiegen.
  • @audhen1
    "Warum bist du so unordentlich?" "Warum bist du so faul?" "Warum machst du nichts aus dir?" "Du hast so viel Potenzial, warum machst du da nichts draus?"
  • @Art.MSc.
    13:57 Ich habe das Gefühl, dass es dem Mädchen seelisch nicht gut geht. Wir hören ihr zu aber verstehen wir, was ihr Blick und ihre Stimmung sagen? Sie sitzt in einer Zwickmühle zwischen Leistungsgesellschaft + Normkonformität und ihrem eigenen Wohlbefinden. Das macht mich traurig.
  • Ein außergewöhnlicher Kommentarbereich, von Interesse, Respekt & Empathie geprägt.
  • Beim ansehen dieser Doku flossen mir irgendwann dauerhaft die tränen, weil ich mich das erste mal verstanden gefühlt habe.
  • @lunapie5045
    Die Verhaltenstherapeutischen Tipps der Psychologin sind so neurotypisch wie sie nur sein könnten. Ein ablenkungsfreies Arbeitsumfeld existiert für die meisten ADHSler nicht. Es kommt darauf an die richtigen Stimuli beim Lernen und Arbeiten zu finden. Einen sweet spot zwischen Unter- und Überreizung. Für Viele ist das alles Andere als das klassische "ablenkungsfreie Arbeitsumfeld".  Und an der Aussage "mach Sport, das hilft" mag ja was dran sein aber das ist ähnlich nutzlos wie Depressiven zu sagen "lächle mehr", das hilft bewiesenermaßen gegen negative Verstimmungen.  Exekutive Funktionen sind, vor allem bei Tätigkeiten ohne sofortige Dopamin Ausschüttung, sehr schwierig auszuführen. Aufgrund unseres "interest-based nervous system" müssen Tätigkeiten mit meißt viel Aufwand und Ausprobieren so angepasst werden das durch Beispielsweise persönliches Interesse, Dringlichkeit, externe Kontrolle oder Aussicht auf direkte Belohnung eine Ausführung erst möglich wird.
  • @andresperrle7984
    ADHS ist wenn du um 23 Uhr während dem lernen eine Doku über ADHS anfängst, dann lernst, dass es ein Starfleet Recruiting Center in Botrop gibt, dass Video anhälst und daraufhin einen Tagesausflug planst - Achja, und nebenbei wird noch gekocht... Oh shit!
  • @bakkaCosplay
    "Diagnose basierend auf wie sehr andere gestört werden" ist leider im Kopf sehr vieler, nicht wie sehr ein Mensch leidet, wenn auch nicht merklich... DANKE für eine informative und empathische Doku, sie war viel zu schnell vorbei. ♡
  • @Tmon_media
    Sehr stark von Finnja, dass sie ihr Meinung gesagt und ihrer Mutter widersprochen hat. Respekt
  • @Lisa-cd2dm
    Ich habe in jungen Jahren ADHS diagnostiziert bekommen. Ich habe damals nicht so ganz verstanden warum ich unter der Woche morgens eine Tablette (Ritalin) nehmen musste. Irgendwann (einige Jahre später) hat meine Mutter die Tabletten bei mir wieder abgesetzt, weil ich das zittern angefangen habe und emotionslos wurde. Auch den Punkt Appetitlosigkeit kann ich bei mir voll bestätigen. Und dennoch bin ich meiner Mutter dankbar, dass sie vor > 20 Jahren mit mir zum Arzt gegangen ist und mir Ritalin gegeben hat. Sie hatte Angst, dass ich nicht durch die Schule durchkommen würde, hat sich viel von Ärzten anhören müssen was sie für eine schlechte Mutter sei und sie hat reagiert, als sie gemerkt hat, dass die Nebenwirkungen von Ritalin zu stark wurden. Mittlerweile mit 32 kann ich gut mit meinem nun ADS umgehen. Ich arbeite in einem Beruf den ich gerne mache und habe hierdurch kaum Probleme. Ich liebe es wenn alles ordentlich ist, stelle mir viele Erinnerungen um Termine nicht zu vergessen und habe Freunde/ einen Freund die größtenteils damit umgehen können, wenn ich trotz spannendem Gespräch auf einmal beim Nachbartisch zuhöre (bsp.). Ich finde es schwierig wenn nicht Betroffene sich negativ über diese Thematik äußern, da sie selbst offenbar nie nachempfinden mussten wie es ist wenn der Kopf dauernd Karussell fährt, man nie ruhig sitzen konnte/ kann, …
  • @jellirabauke2565
    Ich glaube das Problem ist, dass wir in einer Zeit leben, in der ADHS Symptome extremst verstärkt werden und zeitgleich Leben wir in einer Welt, die einfach nicht für Neurodiverse Menschen ausgelegt ist. Neurodiversität ist so normal und so häufig. Grade deswegen ist es so wichtig, dass wir endlich was ändern
  • Zunächst danke. Ich stoppe gerade das Video, weil mich Fenjas Mutter sehr bestürzt. Als direkt Betroffene hat ihre Tochter nicht das Recht, die Nebenwirkungen als negativ zu erleben, und das wird im späteren Leben und in ihrem Selbstverständnis mit einiger Wahrscheinlichkeit zu ganz anderen Verhaltensproblemen führen. Das Kind nimmt nämlich jeden Tag ein Medikament ein, das sie verflucht (auch wenn es dazu führt, dass sie den Anforderung der Schule und der Eltern entsprechen kann). Wenn die eigene Mutter einem dann die negative Wahrnehmung verbietet darf man sicherlich gespannt sein, welche Selbstläufer sich für die Tochter daraus entwickeln können mit Blick auf Unterdrückung der eigenen Wahrnehmung. Es ist nicht einfach, Kinder mit AD(H) S zu erziehen. Es ist nicht einfach, Kinder zu erziehen. Aber hier sollte die Meinung des Kindes gehört werden, und als gerechtfertigt gelten. Man könnte auch sagen dass man selber hofft, noch eine bessere Lösung zu finden. Aber die Meinung abschmettern? Ein gutes Beispiel dafür dass in den allermeisten Familien eben auch die Trigger und Traumata der Eltern etc einen grossen Einfluss auf die Kinder haben.
  • @waldmann7777
    Ich habe das Gefühl Finja geht es noch nicht so gut wie die Eltern denken. Gut wäre eine therapeutische Behandlung neben den Medikamenten.
  • Also ehrlich gesagt wäre ich als Kind SEHR FROH gewesen eine ADHS Diagnose zu erhalten. Ich habe diese erst jetzt mit 27 erhalten und versuche die Symptome zu verbessern. Als Kind wurde mir dauerhaft eingeredet ich sei faul, doof, unkonzentriert, wolle nicht lernen, etc. Im Grunde war ich immer das böse dumme Kind. Hätte ich diese Diagnose und medikamentöse Behandlung schon als Kind erhalten, hätte ich viele meiner heutigen Begleitsymptome vermutlich gar nicht. Nun leide ich zusätzlich an jahrelangen Depressionen (seit dem 14. Lebensjahr) und BPD. Trotz Diagnose wird diese Problematik von meinen Eltern nicht ernst genommen. Hätten meine Eltern aber schon vor 20 Jahren über ADHS gelernt, wäre der Umgang mit mir vermutlich ein ganz anderer gewesen. Manche Einschätzungen und "Erfahrungen" als Personen, die kein ADHS haben kann ich daher absolut nicht nachvollziehen.
  • @zitronenrevival
    Ab 12:30 wenn es um die große Tochter geht, wird ein großer Konflikt ganz klar. Die Mutter hat anscheinend keinen tiefen Kontakt zu der Tochter, kann ich bei der Anzahl der Kinder auch durchaus verstehen, aber das wird noch weitreichende Folgen haben. Die Tochter ist unglücklich und fühlt sich wohl sehr zurecht nicht gesehen. Es sollten außerdem Pausen von den Medikamenten gemacht werden dürfen. Dieses Kind sollte sich wieder spüren dürfen wenigstens in schulfreien Zeiten. Ich wünsche ihr etwas oder jemanden zu finden, um ihren Selbstwert zu nähren ❤
  • @schokido7370
    Mal ganz unabhängig von der Thematik: Die Szenen im Freizeitpark waren irgendwie super schön, weil es wirkte, als hätten die beiden Erwachsenen einfach eine gute Zeit und einen tollen Tag gehabt. :D
  • Ich habe das Gefühl, dass die Finja gar nicht in der Doku sein will und auch die Wesensveränderung durch das Medikament nicht begrüßt.